Donnerstag, 16. August 2007

Wie ich einmal Jennifer Beals war und doch keinen Oscar gewann

Kann sich jemand in diesem jungen Medium Internet noch an Jennifer Beals erinnern? Also aufgepasst, Kinder: Jennifer Beals war der Star des von den üblichen Verdächtigen sogenannten Kultfilms Flashdance, der 1983 in die Kinos kam. Kann sich jetzt jemand erinnern? Ich jedenfalls nicht, war ich damals doch gerade mal den Windeln entwachsen. Und die Zensur beschützte uns vor solchem Schmutz und Schund.

Ich habe den Film das erste Mal 1991 gesehen, auf Video, und mich gleich in Jennifer Beals verliebt. Sie könnte meine Mutter sein, aber daraus irgendwelche Rückschlüsse zu ziehen, überlasse ich anderen. In den folgenden Wochen nervte ich meine Eltern mit lautem (und falschem) Gesang und übermütigem Rumgehopse. Die CD mit dem Soundtrack des Films spielte ich so oft, bis sie zu Staub zerfiel. Seitdem tanze ich leidenschaftlich gerne. Manche, die es besonders gut mit mir meinen, nennen es hoppeln, doch ich bin nicht die Hoppel-Heide, sondern der Choreographie-Carl.

Wie es so ist, wenn man der Zeit im Weg rumsteht, kommt man auf so Ideen. Vor einigen Wochen zuckelte ich mit der Bahn übers schöne Wochenende quer durchs Land nach München. Aus pekuniären Gründen, so heißt das, wenn man fast pleite ist, nutzte ich ausschließlich Nahverkehrszüge und stellte mich nach 11 Stunden Bahnfahrt einer ebenso hochkompetenten wie hochsympathischen Jury: What a feeling. Irene Cara erklang aus den Lautsprechern. Kennt noch irgendwer Irene Cara? Sie sang damals "What a feeling", den Titelsong des Films Flashdance, und gewann damit sogar einen Oscar. Alles ist eitel.

Doch zurück zu meiner Performance. Wochenlang hatte ich vor dem großen Spiegel in meinem Flur geübt, Schrittfolgen einstudiert, Armbewegungen optimiert, meinen Ausdruck perfektioniert. Gut, vielleicht habe ich auch nur ein paar Mal auf dem Weg zwischen Küche und Bad versucht, gleichzeitig zu hüpfen und entschlossen dreinzuschauen. Keuchend und schwitzend harrte ich schließlich des Urteils der Jury. Der Kopf der Dreierbande, auch bekannt als "Der dicke Tanzlehrer aus'm Osten" (Mario Barth) blickte mich an, als hätte ich seine Ballettschläppchen geklaut. Jane Comerford, Mitverschwörerin von Detlef Ausrufezeichen milderte ihr "No No Never" immerhin noch mütterlich ab. Nur Nina Hagen fand mich "total spannend", wenn auch zum Bühnentänzer nicht geeignet. Ein halbes Danke, Nina.

Zum Entspannen schaute ich noch zwei Stunden meinen Mitbewerbern beim Scheitern zu, wie sie aufgekratzt und voller Hoffnung im Gerichtssaal verschwanden und, je nach Temperament, verheult, frustriert oder wütend wiederkehrten. Dann verließ ich die ungastliche Stätte und fuhr nach Berlin zurück, wo man bekanntlich an jeder Straßenecke seine Jennifer Beals finden und mit ihr über's Pflaster tanzen kann.

Keine heiße Nummer: Popstars-Casting in München

Montag, 6. August 2007

Sommer mit Balkon

Nun habe ich doch noch einen Vorteil aus meiner unverhofften und nicht ganz freiwilligen Existenz als Radiostar geschlagen. Peter, der seine literarischen Fangzähne in mein Leben geschlagen hat, zieht für drei Monate nach Hamburg, zu seiner Freundin. Die heißt, kein Scherz, Inga Meisel (mit i, y war wohl aus; gibt also nicht ganz so viele Punkte, Scrabble-Spieler wissen, wovon ich rede). Trotzdem eins mit Sternchen für diesen Namen.

Aber was ich eigentlich sagen wollte… Peter stellt mir seine Wohnung während seiner Abwesenheit zur Verfügung, umsonst versteht sich. Am Wochenende bin ich vom Wedding nach Kreuzberg gezogen. An den Landwehrkanal, 4. OG Südseite mit Balkon. Ich habe mir heute erstmal eine Sonnenbrille kaufen müssen, so viel Licht ist ja nicht zum Aushalten. Mein Weddinger Wohnloch habe ich untervermietet. Wollte tatsächlich jemand haben, zum Glück gibt's Studenten.

Nun brate ich auf Peters Luxus-Balkon in meinem eigenen Saft, erhebe mich ab und an, um jovial die Passanten zu grüßen oder frische Cola aus Peters Kühlschrank zu holen. Kurzum, ich fühle mich augustuös. August war immer mein Lieblingsmonat. Im August nimmt das Jahr eine Auszeit von sich selbst. 11 Monate im Jahr schreitet die Zeit voran und voran, im August lurcht sie ziellos umher und weiß nicht, wo vorne und hinten ist. Die Zeit der Schokonikoläuse kommt früh genug. August ist eine Geschichte von nichts. Im August darf man keine Pläne haben. Für alle Ehrgeizigen ist dieser Monat Folter: Niemand ist zu erreichen, keiner ruft zurück. Einsam tigern sie in ihren Büros auf und ab und brüllen die Wände an.

Ich glaube, ich habe einen Sonnenstich. Rede ich schon wirr? Kann man wirr tippen? Ich muss mich etwas abkühlen. Ich setze mich vor den geöffneten Kühlschrank und treibe Peters Stromrechnung in die Höhe. Wer Carl Cowalski in seine Wohnung lässt… Hi, hi, hi… (Langsames Ausblenden in sommerliche Regression)

Euer Wieheißichnochgleich