Mittwoch, 30. Mai 2007

Das ist wirklich oben ohne

Nun fahren sie wieder und lassen sich die Abgase um die Nase streichen in ihren Broiler-Brätern auf Rädern. Sie leben in Symbiose mit Sonnencreme. Sollte sie die Sonne ohne Ölfilm auf der Haut erwischen, färben sie sich puterrot.
Ok, ich gebe es zu. Ich bekenne mich schuldig. Schuldig des Neids, einer Todsünde. Ich habe kein Auto, hab' noch nicht einmal einen Führerschein. Ich bin kein militanter Umweltschützer, ich lebe mitten in der Großstadt und der Baum ist nicht mein Freund, aber Autos interessieren mich einfach nicht. Dafür Menschen. Und Cabriofahrer lassen sich sehr gut beobachten, zumindest einige Monate im Jahr. Liegt in der Natur der Sache. Die Hälfte des Jahres ist der Cabriofahrer allerdings nicht zu sehen, er hält Winterschlaf. Nur vereinzelt wagt er sich aus seiner Klappverdeckhöhle, meist vorwitzige Jungtiere ohne Erfahrung. Sie glauben, ein einfacher Schal und eine Wollmütze seien ausreichender Schutz, wenn sie Anfang März mit 120 km/h über die Autobahn pesen. Und lernen dann, wie praktisch so ein steifer Hals im Alltag doch sein kann. Man kann den Kopf nicht hängen lassen, was Motivation und Optimismus deutlich steigert. Auch können Ohren und Zähne als Garderobenhaken auf Parties genutzt werden. Der erfahrene Cabriofahrer vermeidet solches Ungemach, auch wenn er sich an manchem sonnigen Vorfrühlingstag vor Erregung kaum auf den Verkehr konzentrieren kann. Doch kaum flattern die Abgasfahnen blau im Frühling, werden die Verdecke aufgerollt, eingeklappt und eingesperrt. Die Sehnsucht des Nordeuropäers nach Licht und Wärme bricht sich Bahn.
Wie gesagt, ich fahre nicht Auto, nur manchmal mit, bei meinem Chef, der fährt Trabant. Und zwar nicht einen aufgemotzten, vollverspoilerten - nein, so eine richtig alte stinkende Schüssel. (Ihr seht, die Geschäfte laufen nicht wirklich gut.) In einer Plastekarre halb bewusstlos von Benzindämpfen durch Schlaglöcher und über Kopfsteinpflaster zu hoppeln, ist nicht toll. Doch selbst in dieser Situation erwecken Menschen mein Mitleid, die bei gefühlten 100 Grad im Schatten mit ihrem Cabrio, ruinierten Frisuren und roten Nasen einem Sandlaster im zäh fließenden Verkehr hinterher zotteln. So ein Cabrio sieht erst dann richtig gut aus, wenn die Insassen so richtig scheiße aussehen.

Mittwoch, 2. Mai 2007

Demonstrantensterben

wer hat sich am dienstag zu seiner meinung bekannt? oder wenigstens zu der seines nachbarn? also ich nicht. hab nicht mal einen fuß vor die tür gesetzt, an diesem berliner traditionsbeladenen maitag - der erste. der eine. der tag, an dem es zum guten ton gehört aufzubegehren.

alles SCHEISSE. Ja! und sagen darfst du's auch noch. brauchst nur nach kreuzberg zu gehen. reih dich ein und sei dabei. wenn schon nicht mehr geschichtsträchtig, so kannst du später trotzdem deinen kindern mit stolzgeschwelter burst sagen: "Ja verdammt. Ich war dabei."

... ganz ehrlich, ich war noch nie "dabei" ... ich versteh sie auch gar nicht - die demonstranten, die asphalthocker im schilderwald. im radio brachten sie ein interview mit den initiatoren der beiden größeren krawall-vereinigungen. die durfen dann so klare fragen beanworten wie "Was ist Ihre Parolle zum 1. Mai? Wofür gehen Sie auf die Straße? Wer gehört zu Ihrer Zielgruppe, wenn wollen Sie erreichen?" gott sei dank gibt es im radio beschränkte redezeit. was den beiden neu-revolutzern aus der gusche rutschte kann doch kein vernunftgeleiteter mensch wiederholen. da war so manch politische ansprache in den abendnachrichten verständlicher.

egal, das doppel-interview hat mich auf jedenfall in meiner entscheidung bestärkt am 1. mai nicht aus dem haus zugehen; mich für keine straßenseite zu entscheiden - ist ja auch eine entscheidung. wenn sich mehr dafür entscheiden, stirbt der typus "demonstrant" aus ... aber wenn keiner mehr aufmuckt, dann sieht es so aus, als wäre alles friede-freude-eierkuchen ... was es ja nicht ist. aber warum kann das nicht mal einer klar und deutlich formulieren? vielleicht würd auch ich mich dann auf die straße stellen ...

Fortsetzung folgt.


Nachtrag: Wäre Politik mehr als ein ausgelutschter Thriller, dann würden Cliffhänger auch hier funktionieren.